Über Primaten

Neulich habe ich in den Nachrichten über ein Gorilla-Baby gelesen, das jetzt von Tierpflegern grossgezogen wird. Eigentlich bin ich durch das Bild darauf aufmerksam geworden, auf dem man das niedliche kleine Gesichtchen unter einer Bommelmütze sah. Aber ich sah da keinen Gorilla, denn ich dachte zunächst nur: >>Was für ein süsses Baby! << Und dann...

>>Moment, das hat aber viele Falten. Und die Nase sieht irgendwie eingedrückt aus.<< Wie einem das beim Betrachten von Babyfotos eben so geht, man reagiert erstmal völlig hormongesteuert mit einem >>Ahh<< oder >>Ohh<<, bevor das Gehirn einen ermahnt, dass das Baby eigentlich ziemlich hässlich ist. Dann erst las ich die Überschrift und hatte die Erleuchtung: Es war kein Mensch, daher meine Irritation! Dass Babys eigentlich hässlich sind, wenn man sie nüchtern betrachtet, daran hab ich mich schon gewöhnt. Allzu oft kriegt man von stolzen Eltern solche Fotos gereicht und hat eben jenen Flash und danach dieses Gefühl, dass das fleckige plumpe Gesicht ohne Zähne und Haare eigentlich ein bisschen eingedellt wirkt... kann man natürlich nicht laut sagen. Und es gibt ja auch schöne Babies. Wahnsinnig schöne und niedliche. Wirklich! Ok, ich will nur ein bisschen die Mamis ärgern, nehmt es mir nicht krumm... Jedenfalls hat das hässliche Gesicht allein meine Irritation nicht erklären können und so fand ich erst in der Überschrift die Lösung dafür. Ich hab drei Denkschritte gebraucht, um das zu erkennen. Wohingegen mein Bauch sofort sagte: >>Guck mal, knuddeln!<< (Der hatte das gleich kapiert, aber gut, der weiss auch als erster, dass ich eigentlich bloss Hunger habe und ich wundere mich noch darüber, warum ich schlecht gelaunt bin.) Und dann dachte ich: >>Warum reagiere ich denn auf einen Affen genauso wie auf jedes andere Kind? Läuft bei mir gerade die innere Uhr schneller als sonst?<< Ja, sowieso, das ist gar nicht der Punkt. Was mich mehr irritierte war, dass ich es gar nicht als Affen erkannt hab. Es sah doch aber eindeutig nach Affe aus. Mein Bauch bzw. Instinkt war da scheinbar schneller als ich und reagierte sofort mit Arterhaltung. Das fand ich wirklich kurios. Denn als Philosophin (bald auch diplomiert ;) ), musste ich unweigerlich über Triebe, Instinkte und Verhalten nachdenken und darüber, ob wir Menschen uns von den Tieren unterscheiden, weil wir tatsächlich die höchste Entwicklungsstufe der Evolution darstellen....

Und damit ich mit meinen Gedanken nicht allein im Elfenbeinturm hocke, hab ich sie hier für euch aufgeschrieben, alles schön der Reihe nach. Also dass man sich in Tierkinder verguckt, liegt am Kindchenschema, das nachweislich diese Gefühle auslöst und somit dem Kindchen das Überleben sichert. Darüber habe ich sowohl in Dokumentationen als auch in Zeitschriften gelesen. Das funktioniert bei allen Tierkindern, bei Welpen und Kätzchen, dem kleinen Gorilla mit der Bommelmütze, flauschigen Entchen und sogar bei hässlichen Babies. Es ist also ganz normal, wenn man auf der Strasse beim Anblick eines Kätzchens mit lautem Freudengeschrei reagiert, auch wenn die anderen vielleicht gucken, als sei man bekloppt. Niedlich ist also keine Wertung kraft meines Intellekts, sondern ein Bauchgefühl. Man ist nicht bekloppt, man reagiert ganz natürlich. Das beruhigt mich ungemein, weil mir das häufiger passiert. Und nicht nur ich reagiere so, auch mein Hund. Alles was klein und niedlich ist, wird erstmal bemuttert. Wir sind uns ziemlich ähnlich, ich und mein Hund, auch wenn er eine grosse haarige männliche Dogge ist und ich eine kleine zierliche Menschenfrau. Ein kurioses Gespann, wenn wir zusammen vor die Tür gehen... Die Ähnlichkeiten sieht man auf den ersten Blick natürlich nicht, aber es zählen ja die inneren Werte. Also was unterscheidet uns von anderen Spezies, wenn wir mal nicht das Äussere betrachten, sondern uns dem Wesentlichen zuwenden? Auf Tierkinder mit Mutterinstinkten zu reagieren, unterscheidet uns schon mal nicht. Ist es die Intelligenz? Mein Hund ist nicht dumm, er versteht ziemlich viel von dem, was ich ihm mitteilen will. Bisweilen habe ich den Eindruck, er weiss ganz genau, was ich von ihm möchte, aber er hat einfach beschlossen, es nicht zu tun. Was ausserdem dafür spricht, dass er die Situation beurteilen kann, in irgendeiner Form. Ich kann mich gegen meinen Hund nicht durchsetzen, indem ich ihm erkläre, dass ich klüger bin als er und darum weiss, was besser ist. Da legt er nur den grossen Kopf auf die Vorderpranken, schnauft ein bisschen mit treudoofem Blick, als sei ich eine unerträgliche Quatschtante, schmatzt und gähnt zu guter Letzt, weil ihn mein Vortrag langweilt. Unsere Kommunikation klappt für gewöhnlich am besten nonverbal. Er will in die Küche und ich schmeisse ihn wieder raus, das machen wir dreimal, dann trollt er sich, und sagen muss ich nichts. Der Hund weiss dann, dass das meine Küche ist, heute zumindest. Er versucht es trotzdem immer wieder, denn wie David Hume so schön sagte, woher wollen wir wissen, dass morgen wieder die Sonne aufgeht? Es könnte ja diesmal anders sein. Ja, mein Hund ist Skeptiker oder eben eher triebgesteuert als vernunftorientiert, aber das unterscheidet ihn auch nicht wirklich vom Menschen. Denen muss man auch meist noch ein viertes Mal zeigen, wo es langgeht und viele kapieren es dann immer noch nicht.

 Und was war es am Ende, was sie überzeugte? Nicht meine Intelligenz und die vielen tollen Argumente, sondern die Durchsetzungskraft. Da fühle ich mich durch die Nachrichten über den Krim-Konflikt gerade auf unheimliche Art und Weise bestätigt und hoffe nur, dass derjenige, der sich durchsetzt, ein wohlwollender und sozialer Mensch ist. Ein Leittier, das mehr als nur das eigene Glück im Auge hat und das nach den natürlichen Instinkten handelnd auch andere Rassen und Spezies als gleichwertig anerkennen kann, so wie ich das Gorilla-Baby vom Fleck weg adoptieren wollte. Ja, was soll ich sagen, ich hoffe im Grunde, dass kein Mensch da am längsten Hebel hockt. Weil wir nicht wirklich sozial genug sind. Denn das, was wir uns gegenseitig antun, hat keine andere Spezies jemals in dem Umfang getan. Und nicht unbedingt, weil es ihnen an Intelligenz mangelt. Was wäre, wenn sie einfach zu klug für solche kurzsichtigen egoistischen Motive wären? Und wir uns von ihnen dadurch unterscheiden, dass wir hinterherhängen anstatt aufrecht vorneweg zu gehen? Ich frage mich immer öfter dieser Tage, ob das, was wir Intelligenz nennen, nicht einfach die falsche Konnotation hat. Ist es wirklich ein Gut, nachdem es sich zu streben lohnt? Oder ist es ein zweischneidiges Schwert, so wie z.B. Geld? Muss es genauso vorsichtig und vernünftig behandelt werden?  

Andere Tiere sind ebenso intelligent wie wir, Vögel zum Beispiel. Früher glaubte man, die hätten aufgrund ihrer kleinen Gehirne nicht viel auf dem Kasten. Forscher haben aber nachgewiesen, dass die Hirnstrukutur eines Vogels völlig anders ist als die eines Primaten. Und siehe da, Vögel denken voraus, lösen Probleme, lernen von anderen und benutzen Werkzeuge. Obwohl ihr Gehirn anders ist als unseres. Ich habe den folgenden Gedanken dann einfach mal Starterlaubnis erteilt und geschaut, wohin sie fliegen: Wenn Vögel mit Sauriern entfernt verwandt sind, sprechen die heutigen Erkenntnisse über die Intelligenz von Vögeln dann für eine entsprechende Veranlagung bei den grossen Echsen? Ich nehme jetzt einfach einmal spasseshalber an, Dinosaurier seien überdurchschnittlich (haha) intelligent gewesen. Und ja, ich mag Jurassic Park, das ist ein wunderbarer Gruselstreifen. Ich denke also an diese intelligenten Velociraptoren, die im Film stellvertretend für ihre Art durch den Park streifen und die Menschen mit ebensoviel Raffinesse abmurksen wie der Maskenmörder diese Teenies in Scream. Ein toller Plot, weil damit keiner gerechnet hat, bei Scream aber weiss jeder, dass da ein Mörder hinterhältigerweise alle abmurkst, die allein vor die Tür gehen... stinklangweilig. Aber weiter... 
Wie immer sind wir ziemlich kurzsichtig, so dass wir diese Entwicklung nicht vorhergesehen haben und dann überrascht sind, wenn die Velos den Menschlein eine Falle stellen oder plötzlich Türklinken benutzen. Ja, das ist science fiction, und ja, ich schweife ab. 
Also ich gehe davon aus, dass die Dinosaurier wesentlich intelligenter waren, als wir annehmen. Warum haben wir dann aber keinerlei Spuren davon? Wenn sie die Möglichkeiten hatten, Werkzeuge zu benutzen oder Probleme zu lösen, warum haben sie es nicht getan und zwar für uns sichtbar getan? Warum gibt es keine Entwicklungsspuren, keine Wissenschaft, keine Kultur? Das sind doch die grossen Errungenschaften der Menschheit, wir können sogar fliegen! Ja toll, ich applaudiere. Habt ihr euch mal gefragt, zu welchem Preis? Wie viele andere Spezies haben wir ausgerottet? Wie oft standen wir schon kurz vor dem Supergau? Wann werden wir uns selbst vernichten? Sind wir wirklich intelligenter als andere Spezies? Ich glaube eher, es mangelt uns an Weitsicht... kein schöner Gedanke. "Das Aktuelle überwiegt das Prinzipielle." hat Roger Willemsen in einem Fernseh-Interview gesagt und damit die Politik und ihre Entscheidungen gemeint. Erschreckenderweise hat er Recht. Wir sind kurzsichtig wie Maulwürfe (natürlich nur im übertragenen Sinne, denn vielleicht sind Maulwürfe ja klüger als wir). Und da es uns scheinbar nicht an Intelligenz mangelt, kann sie nicht unser Allheilmittel sein. Uns fehlt vielmehr etwas, das andere Spezies noch besitzen und das sich im Kindchenschema zeigt. Ich nenne es Weitsicht, aber man kann auch Arterhalt sagen oder Überlebenswille. Uns sind die natürlichen Instinkte verloren gegangen und wir haben uns zu den Sternen aufgeschwungen, nicht ahnend, dass wir immer mit einem Fuss auf der Erde stehen müssen. So kann man nur auf die Schnauze fallen. Wir können uns mit dem Gedanken trösten, dass wir intelligent genug sind, um vor dem Weltuntergang rasch einen anderen Planeten zu finden und zu besiedeln. Aber das ist nun wirklich science fiction. Und der erste Gedanke, der mir dabei kommt, ist der, dass wir dann auf wunderbare Art und Weise den Aliens in diversen Horrorfilmen gleichen, die unsere Erde so gern invasieren und nicht dem kleinen Prinzen, der bei seiner Sternenreise jede Menge neuer Freunde gewinnt. Je intelligenter wir werden, desto weiter laufen wir vor unseren Wurzeln davon. Wir werden alien- fremd. Wir gehören jetzt schon nicht mehr dazu. Ist unser Fortschrittsdenken und unsere Fähigkeit, uns selbst über andere zu stellen und uns derart zu erhöhen, dass wir Göttern gleichen, nicht eigentlich der Fluch der Menschheit? Gab es keine Kultur bei den Dinosauriern, weil sie dies erkannten und es unterliessen? Schreckliche Purzelbäume, die meine Phantasie da wieder schlägt. Vielleicht hätte ich das lieber in eine Science-Fiction-Kurzgeschichte verpackt?

Ich persönlich glaube nicht, dass wir die höchste Entwicklungsstufe der Evolution sind. Es gibt Leute, die sagen, dass Menschen eher wie Viren sind, die sich solange nähren und vermehren bis ihr Wirt stirbt und sie sich einen neuen suchen müssen. Das wäre meiner Meinung nach dann aber ziemlich weit unten auf dem riesigen pyramidalen Treppchen, das wir uns in Gedanken gebaut haben. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Ich glaube, die meisten von uns wollen nichts weiter als einen ruhigen Schlaf, ein leckeres Mittagessen und abends mit den Kindern oder Haustieren spielen. Das unterscheidet uns nicht von anderen Spezies und somit sind wir nicht an der Spitze. Aber wenn die Alternative wäre, mich zwischen Virus und Alien zu definieren, ist mir beides eh zu schleimig. Da bin ich lieber ein sozialer Primat, der glücklich beim Anblick eines Kindchens jauchzt, als so ein giftgrünes Schleimwesen, das radikal den nächsten Schritt zu höheren Sphären kalkuliert. Auch wenn das bedeutet, dass ich offen dafür sein muss, nicht gottgleich und wahnsinnig intelligent zu sein. Auch wenn das bedeutet, dass ich ein Tier bin. Zum Glück mag ich Tiere, also finde ich das nicht so schlimm. Vielleicht sind ja Delphine wirklich intelligenter als wir. Ich weiss jedenfalls, dass ich noch nicht oben angekommen sein kann, wenn ich es nicht gelernt habe, mit der einen Hirnhälfte zu schlafen, während die andere mit dem Alltag jongliert. Sobald ich das kann, geb ich Bescheid. Ich glaube, das muss einfach nur ein wonniger Freudenzustand sein, wenn man nie mehr etwas verpasst und gleichzeitig soviel Schlaf und Erholung hat, wie man will. Im Wachen Träumen können ist sowieso das schönste Geschenk, dass mir die Natur gemacht hat und ist für mich die höchste Daseins-Stufe. Auch wenn es hin und wieder zu Purzelbäumen wie diesem hier führt.  

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